"Tagessätze bei Geldstrafen sind zu hoch"

…so lautet die einhellige Feststellung der Teilnehmenden an einer überregionalen Gesprächsrunde von Anbietern von Haftvermeidungsprojekten. Vertreter*innen der Straffälligenhilfe aus Berlin, Bremen, München und Niedersachsen trafen sich am 26. Juni in Hannover zu einem gemeinsamen Fachgespräch und Erfahrungsaustausch. Die Kritik richtet sich dabei nicht an die Summe der Tagessätze, sondern an die dafür jeweils festgesetzte Höhe des Geldbetrages.

Die für einen Tagessatz individuell festgelegten Beträge orientieren sich oftmals nicht am realen Einkommen. Für Bezieher von Sozialleistungen sind Tagessätze von 20, 30 oder sogar 50 Euro keine Seltenheit. „Das ist viel zu hoch“ sagen die Fachleute der Straffälligenhilfe: „Im Vergleich zu besser Verdienenden ist es häufig ungerecht und die hohen Belastungen überfordern die so betroffenen Menschen unverhältnismäßig“. Sie halten einen Tagessatz in Höhe von 5 bis maximal 10 Euro für angemessen und vertretbar und wollen verstärkt für eine bessere Staffelung und Bemessung der Beträge werben. 

Die Niedersächsischen Anlaufstellen für Straffällige bieten seit 2010 auf der Grundlage einer ministeriellen Verordnung ein erfolgreiches Modell zur Tilgung von Geldstrafen durch Ratenzahlungen an, die wiederum durch Abtretungserklärungen verbindlich abgesichert werden. Durch die regelmäßige Überweisung der vereinbarten Raten wird die Bezahlung der verhängten Geldstrafe verbindlich geregelt – die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe ist damit gegenstandslos.

Das Verfahren ist ausgesprochen erfolgreich: In Niedersachsen werden von den 14 Anlaufstellen pro Jahr mehr als 500.000 Euro an die jeweiligen Staatsanwaltschaften überwiesen – dadurch wird die Vollstreckung von mehr als 30.000 Hafttagen vermieden. 

Der Erfolg hatte auch andernorts überzeugt und weitere Anbieter gefunden: In Bremen bietet die Bremische Straffälligenhilfe e.V. seit 2012 ein vergleichbares Angebot an – die SBH- Straffälligenhilfe in Berlin vermeidet die Vollstreckung durch Ratenzahlungen seit 2014. In Bayern läuft seit September 2018 ein zunächst befristeter Modellversuch nach niedersächsischem Vorbild und auch in Dortmund und in Brandenburg haben Projekte ihre Arbeit aufgenommen. Die messbaren Erfolge sind an allen Standorten vortrefflich.

Die verhängten Geldstrafen werden beglichen, die negativen Auswirkungen einer Inhaftierung werden vermieden und auch der Strafvollzug wird angesichts Überbelegung und schwierigen Handlings bei Kurzstrafen entlastet. Die nicht vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafen sparen ganz erhebliche Steuergelder ein: Einen besseren Erfolg kann es insbesondere für die Finanzverantwortlichen in der Politik kaum geben. Alle Anbieter sind sich einig: Das Modell funktioniert ausgezeichnet und es gibt überhaupt nichts, was dagegen spricht. Daher wundern sich die Tagungsteilnehmer darüber, dass das Angebot nicht weitläufiger praktiziert wird. Signale für eine Ausweitung gab es aus der Konferenz der Justizminister Anfang Juni in Travemünde jedenfalls leider keine: Schade…

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